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Gebäude-Kollaps: 95 Tote, eine einzige Ruine

Gebäude-Kollaps: 95 Tote, eine einzige Ruine
The Nation

BANGKOK, THAILAND – Der Einsturz des 33‑stöckigen Rohbaus der State Audit Office (SAO) nach einem Erdbeben am 28. März 2025 hat sich als menschengemachtes Desaster mit weitreichenden politischen und juristischen Folgen erwiesen.

Der Tag, an dem nur ein Turm fiel

Am 28. März 2025 erschütterten Erdstöße aus dem benachbarten Myanmar die Metropole Bangkok. Gouverneur Chadchart Sittipunt meldete später zwar 169 Gebäude mit Rissen, aber keine gravierenden strukturellen Schäden.

Mitten in diesem insgesamt glimpflichen Bild stand jedoch eine Ausnahme: Auf der Kamphaeng Phet 2 Road im Bezirk Chatuchak brach der noch zu rund 30 % fertige SAO‑Turm plötzlich komplett zusammen. Der 33‑stöckige Verwaltungsbau für die staatliche Rechnungsprüfungsbehörde verwandelte sich in Sekunden in einen Berg aus Stahl und Beton.

Die Bilanz nach Abschluss der Bergungsarbeiten Mitte Mai: 95 Tote, 9 Verletzte und 4 Vermisste. Unter den Opfern befanden sich mindestens zehn Arbeitsmigranten aus Myanmar sowie ein Kambodschaner, weitere Ausländer wurden ebenfalls unter den Toten gemeldet.

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Internationale Rettung, nationale Fragezeichen

Unmittelbar nach dem Einsturz begann ein großangelegter Rettungseinsatz. Baggerschaufeln und Kräne arbeiteten sich durch die Trümmer, während jede Stunde die Hoffnung auf Überlebende schmälerte.

Unterstützung kam auch aus dem Ausland: Einsatzkräfte aus den USA beteiligten sich an der Suche, und die israelische Botschaft stellte ein spezielles Scan‑Gerät bereit, um Verschüttete aufzuspüren. Parallel wuchs der politische Druck: Warum fiel ausgerechnet ein staatlicher Hochhausbau, während die übrige Skyline standhielt?

Erste Spur: Streit um Stahl

Bereits zwei Tage nach der Katastrophe nannte Industrie­minister Akanat Promphan auffällige Befunde an Stahlproben der Baustelle. Im Fokus stand der chinesische Lieferant Xin Ke Yuan Steel, dessen Werk schon im Dezember 2024 von den Behörden stillgelegt worden war.

Zunächst schien vieles auf mangelhafte Baustoffe hinzudeuten. Späteren Analysen zufolge war der Stahl selbst jedoch nicht grundsätzlich unter der Norm – das Problem lag in seiner illegalen Modifikation und Zweckentfremdung auf der Baustelle.

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Offizielles Ergebnis: Fehler im Kern der Konstruktion

Am 30. Juni 2025 präsentierte Premierministerin Paetongtarn Shinawatra die offiziellen Untersuchungsergebnisse. Die Experten kamen zu einem klaren Schluss: „Die Ursache des Einsturzes liegt in Mängeln bei Planung und Ausführung.“

Als entscheidende Schwachstellen wurden benannt:

Fehlerhaft ausgelegte Schubwände rund um Aufzugsschächte und Treppenhäuser

Beton unterhalb der vorgeschriebenen Qualität

Fehlerhafte Bauausführung und Nichtbeachtung anerkannter Ingenieurstandards

Zum Stahl stellte die Regierungschefin klar, das Material sei „kleiner geschnitten und entgegen den Vorschriften eingesetzt worden – damit faktisch illegal“. Nicht das Produkt selbst, sondern sein Missbrauch habe zur Instabilität beigetragen.

Wer trägt die Verantwortung?

Mit der technischen Analyse rückte die Frage nach den Verantwortlichen in den Mittelpunkt. Am 8. Mai 2025 nannte Pol Maj‑General Noppasin Poolsawat von der Metropolitan Police drei zentrale Gruppen im Visier der Ermittler:

Planer: Forum Architect und Meinhardt (Thailand)

Bauausführende: ITD‑CREC Joint Venture (Italian‑Thai Development und China Railway Number 10 (Thailand) Co., Ltd.)

Bauüberwachung: PKW Joint Venture mit PN Synchronize, W and Associates Consultants und KP Consultants and Management

Der Hauptauftragnehmer suchte jedoch, sich zu entlasten. Kriengsak Kovadhana, Führungskraft bei Italian‑Thai Development (ITD), erklärte am 9. Mai 2025, man habe „entsprechend den Plänen von Auftraggeber und Planern gebaut“. Es habe neun Planänderungen gegeben und ITD habe mehr als 700 formale Anfragen zu Planungswidersprüchen gestellt.

Zur Reduzierung der Wandstärken an den Aufzugsschächten sagte er, diese Änderung sei erfolgt, um staatliche Vorgaben zu erfüllen. Die statische Überprüfung geänderter Pläne sei „nicht Aufgabe des Bauunternehmens“, womit er die Verantwortung zurück zu Planern und Kontrolleuren schob.

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Strafverfolgung: Vom Rohbau in den Gerichtssaal

Die strafrechtliche Aufarbeitung begann wenige Wochen nach dem Einsturz. Am 19. April 2025 wurde ein chinesischer Vertreter des Baupartners China Railway No. 10 festgenommen. Am 15. Mai folgten Haftbefehle gegen 17 Personen, darunter der frühere ITD‑Präsident Premchai Karnasuta, der sich zusammen mit 14 weiteren Verdächtigen stellte und die Vorwürfe bestritt.

Am 7. August 2025 erhob die Staatsanwaltschaft schließlich Anklage gegen 23 natürliche und juristische Personen. Die Liste der Delikte reichte von beruflichem Fehlverhalten über Verstöße gegen Sicherheitsvorschriften mit Todesfolge bis zu Urkundenfälschung und Gebrauch gefälschter Dokumente.

In einer Anhörung am 22. November 2025 wurden sechs Ingenieure von Meinhardt gegen Kaution freigelassen, verbunden mit strengen Auflagen wie einem Ausreiseverbot. Schon diese Zwischenschritte machten deutlich, dass die juristische Aufarbeitung noch Jahre dauern dürfte.

Korruptionsverdacht: Wenn Kontrolleure selbst im Fokus stehen

Parallel zur Strafverfolgung wegen Baufehlern rückte die Korruptionsbekämpfung in den Vordergrund. Die Frage lautete, ob Unregelmäßigkeiten bereits bei der Vergabe des prestigeträchtigen Staatsprojekts den Boden für spätere Missstände bereitet hatten.

Die Department of Special Investigation (DSI) übergab am 20. Juni 2025 der National Anti‑Corruption Commission (NACC) ein umfangreiches Dossier: 46 Akten mit 17.620 Dokumenten, in denen es um mutmaßliche Ausschreibungsmanipulation bei der SAO‑Baumaßnahme geht.

Insgesamt wurden 76 Personen belastet, davon 70 Staatsbedienstete. Der Verdacht reichte bis in die Spitze der Rechnungsprüfung selbst: Genannt wurden der frühere Auditor General Prajak Boonyang, der amtierende Auditor General Montien Charoenphol sowie General Chanathap Inthamara, Vorsitzender der State Audit Commission.

Der Präsident der zivilgesellschaftlichen Anti‑Corruption Organization (ACT), Mana Nimitmongkol, kritisierte zudem das Scheitern eines vorgesehenen Transparenzinstruments. Das SAO‑Projekt hätte einem „Integrity Pact“ mit externer Beobachtung unterliegen sollen. „Dieser Pakt wurde nie umgesetzt“, sagte Mana und sprach von einer „dunklen Figur“, die dies verhindert habe. Aus Sicht von Watchdogs entstand so ein Umfeld, in dem Missbrauch leichter verborgen bleiben konnte.

Streit um Stahlstandards: Branchenalarm nach dem Einsturz

Auch die anfangs im Fokus stehende Stahlfrage hatte Folgen über die einzelne Baustelle hinaus. Am 24. Oktober 2025 wandten sich zehn führende Stahlverbände gemeinsam an das Industrieministerium und forderten, ein Wiederanfahren der Fabrik Xin Ke Yuan zu blockieren.

Sie warfen dem Hersteller vor, Induktionsöfen ohne nachgeschaltete Reinigung einzusetzen. Das führe zu verunreinigtem Stahl, der die Thai Industrial Standards (TIS) nicht erfülle und damit ein erhebliches Sicherheitsrisiko für Bauwerke darstelle. Zudem verschaffe dieser Kostenvorteile gegenüber Produzenten, die in aufwendigere, normkonforme Verfahren investieren.

Versagt im entscheidenden Moment: Warnsystem unter Druck

Der Einsturz des SAO‑Turms legte nicht nur technische und organisatorische Schwächen im Bauwesen offen, sondern auch Defizite im Katastrophenmanagement. Am Erdbebentag versagten die SMS‑Warnungen der Department of Disaster Prevention and Mitigation (DDPM) weitgehend.

Viele Mobilfunkkunden erhielten erste Nachrichten über 24 Stunden nach dem Beben, was für Verunsicherung sorgte und teilweise als Hinweis auf ein weiteres Ereignis missverstanden wurde. Bei einem Treffen am 29. März 2025 ordnete Premierministerin Paetongtarn Shinawatra deshalb umgehende Verbesserungen an und wies DDPM und National Broadcasting and Telecommunications Commission (NBTC) an, gemeinsam mit den Netzbetreibern die Verzögerungen zu beheben.

Vermächtnis eines vermeidbaren Desasters

Die Auswertung tausender Dokumente, Gutachten und Zeugenaussagen zeichnet ein klares Bild: Der Einsturz des SAO‑Turms war kein unausweichlicher Effekt des Erdbebens, sondern das Ergebnis einer toxischen Mischung aus Planungsmängeln, Regelverstößen und mutmaßlicher Korruption.

Bezahlt haben diesen Preis vor allem die 95 Arbeiterinnen und Arbeiter, die im Vertrauen auf die Sicherheit einer staatlichen Baustelle ihr Leben verloren. Der Trümmerhaufen im Bezirk Chatuchak ist damit zu einem Mahnmal geworden – für die Folgen von Pfusch, mangelnder Aufsicht und unterlaufener Transparenz im öffentlichen Bausektor

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Quelle: The Nation

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