Was Schweizer wissen sollten, bevor sie auswandern

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Illustration via OpenAI (2025).

Rentnerparadies Thailand. Ein Traum wird wahr – oder doch nicht?

Hans (69) sitzt auf der Terrasse seines kleinen Hauses in Lom Sak, einer kleinen Stadt in der Provinz Phetchabun, und nippt an seinem Kaffee. Die Morgensonne scheint durch die Berge, 30 Grad zeigt das Thermometer. „Ich wollte nie zurück in den Schnee”, sagt der ehemalige Mechaniker aus dem Aargau und lächelt zufrieden. Vor zwei Jahren hat er sein Leben in der Schweiz hinter sich gelassen und ist nach Thailand ausgewandert. „Hier kann ich mit meiner AHV wie ein König leben”, erzählt er.
Doch nach einer halben Stunde Gespräch wird sein Tonfall nachdenklicher. Die erste Dengue-Fieber-Erkrankung, die komplizierte Visa-Verlängerung, die Sprachbarrieren beim Arzt – Hans’ Geschichte ist nicht nur Sonnenschein. Sie ist typisch für Tausende von Schweizern, die vom Rentnerparadies Thailand träumen.

Warum Thailand so verlockend ist

Die Zahlen sprechen für sich: Rund 8’000 bis 10’000 Schweizer leben offiziell in Thailand – viele davon Rentner. Die Gründe sind verständlich:
Das Klima: Während in der Schweiz der Winter Einzug hält, herrschen in Thailand das ganze Jahr über 25 bis 35 Grad. Keine Heizkosten, keine Winterdepression, keine eisigen Gehwege.
Die Lebenshaltungskosten: Mit einer durchschnittlichen AHV-Rente von 1’400 bis 2’300 Franken monatlich lässt sich in Thailand deutlich komfortabler leben als in Zürich oder Basel. Ein Bier kostet umgerechnet 80 Rappen, eine warme Mahlzeit auf dem Markt 2 Franken.
Die Mentalität: Thailänder sind für ihre Freundlichkeit und Gelassenheit bekannt. Das „Sanuk” (Spass haben) und „Mai pen rai” (macht nichts) prägen den Alltag – ein Kontrast zur oft hektischen Schweizer Effizienz.

Der harte Realitätscheck: Visa und Aufenthaltsrecht

Hier wird der Traum das erste Mal zur Herausforderung. Thailand ist kein EU-Land – Schweizer haben kein automatisches Aufenthaltsrecht.
Die wichtigsten Visa-Optionen für Rentner:
Tourist Visa: 60 Tage, verlängerbar um weitere 30 Tage. Danach muss das Land verlassen werden. Für Dauerwohnsitz ungeeignet.
Non-Immigrant Visa O/O-A (Retirement Visa): Das wichtigste Visa für Rentner über 50 Jahre.
Voraussetzungen:
• Nachweis von 800000 Baht (ca. 19750 CHF) auf einem thailändischen Bankkonto ODER
• Monatliches Einkommen von mindestens 65000 Baht (ca. 1600 CHF)
Krankenversicherung mit Mindestdeckung von 3 Millionen Baht (ca. 74000 CHF)
• Polizeiliches Führungszeugnis

Die Tücken: Das Visa muss jährlich verlängert werden. Die Geldbeträge müssen konstant nachgewiesen werden. Bei Problemen droht die sofortige Ausreise.
Rechtliche Stolperfallen
• Immobilienerwerb: Ausländer dürfen in Thailand grundsätzlich keine Grundstücke kaufen, nur Eigentumswohnungen (Condos) – und das auch nur begrenzt.
• Arbeitsverbot: Mit einem Retirement Visa ist jede bezahlte Tätigkeit strikt verboten.
• Kontoeröffnung: Ohne gültiges Langzeit-Visa ist die Eröffnung eines Bankkontos extrem schwierig geworden.

Was kostet das Leben wirklich?

Die pauschale Aussage „Thailand ist billig” stimmt nur bedingt. Hier ein realistischer Kostenvergleich:
Monatliche Lebenshaltungskosten für einen Schweizer Rentner:

Basis-Budget (einfacher Lebensstandard):
• Miete (1-Zimmer-Apartment): 400-600 CHF
• Essen (lokale Küche): 300-400 CHF
• Transport (Motorroller/öffentlich): 80-120 CHF
• Krankenversicherung: 150-300 CHF
• Nebenkosten (Strom, Wasser, Internet): 100-150 CHF
• Total: 1’030-1’570 CHF

Komfort-Budget (westlicher Standard):
• Miete (2-3 Zimmer mit Pool): 800-1’500 CHF
• Essen (Mix aus lokaler und westlicher Küche): 600-800 CHF
• Transport (eigenes Auto): 200-400 CHF
• Krankenversicherung (Premium): 300-500 CHF
• Nebenkosten: 200-300 CHF
• Freizeit, Reisen: 400-600 CHF
• Total: 2’500-4’100 CHF

Versteckte Kosten, die oft vergessen werden:
• Jährliche Visa-Verlängerung: 400 CHF
• Flüge in die Schweiz (1-2x jährlich): 1’500-3’000 CHF
• Internationale Krankenversicherung: deutlich teurer als oft berechnet
• Währungsrisiko: Der Schweizer Franken kann gegenüber dem Baht schwanken

Gesundheit im Alter: Zwischen Weltklasse und Wildwest

Thailand hat ein zweigeteiltes Gesundheitssystem:
Die gute Nachricht:
Private Krankenhäuser in Bangkok, Phuket oder Chiang Mai erreichen internationale Standards. Viele Ärzte haben in Europa oder den USA studiert, sprechen Englisch und sind deutlich günstiger als in der Schweiz.
Beispiel: Eine Hüftoperation kostet in einem Top-Privatspital umgerechnet 8’000-12’000 CHF statt 25’000-35’000 CHF in der Schweiz.
Die Realität:
• Sprachbarrieren: Ausserhalb der Touristenzentren sprechen wenige Ärzte Englisch oder Deutsch.
• Qualitätsunterschiede: Staatliche Krankenhäuser sind oft überfüllt und schlecht ausgestattet.
• Pflege im Alter: Professionelle Altenpflege nach Schweizer Standard ist rar und teuer.
• Medikamente: Nicht alle europäischen Präparate sind verfügbar.

Hans’ Erfahrung: „Als ich Dengue-Fieber hatte, war ich froh um das gute Spital in Phetchabun. Aber die Verständigung war schwierig, und die Rechnung kam trotz Versicherung auf 3’000 Franken.”
Zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft
Die Herausforderung: Soziale Isolation
Viele Schweizer unterschätzen die kulturellen Unterschiede. Thailänder sind zwar freundlich, aber echte Freundschaften entstehen selten über die Sprachbarriere hinweg.

Typische Probleme:
• Oberflächliche Kontakte zu Einheimischen
• Abhängigkeit von der deutschsprachigen Expat-Community
• Schwierigkeiten bei Behördengängen ohne Übersetzer

Die Lösung: Aktive Integration

Erfolgreiche Auswanderer investieren in:
• Sprachkurse: Thai-Grundkenntnisse öffnen Türen und Herzen
• Expat-Vereine: Deutscher Verein Bangkok, Schweizer Club Phuket
• Hobbys und Sport: Golf, Tennis, Tauchen – gemeinsame Interessen verbinden
• Freiwilligenarbeit: NGOs freuen sich über erfahrene Helfer

Checkliste: Bin ich der Typ für Thailand?
✅ Thailand könnte passen, wenn Sie:
• Offen für neue Kulturen und Lebensweisen sind
• Grundkenntnisse in Englisch haben (Thai lernen wollen)
• Gesundheitlich fit sind
• Finanziell gut abgesichert sind (mind. 3’000 CHF/Monat verfügbar)
• Gerne warm haben und Hitze vertragen
• Flexibel und stressresistent sind

❌ Lieber in der Schweiz bleiben, wenn Sie:
• Auf gewohnte Strukturen und Pünktlichkeit angewiesen sind
• Sprachbarrieren stark belasten
• Gesundheitliche Probleme haben, die regelmässige Spezialbehandlung erfordern
• Familie und Freundschaften in der Schweiz nicht missen möchten
• Mit 1’500-2’000 CHF Rente knapp kalkulieren müssen

Traum mit Stolpersteinen

Thailand kann für gut vorbereitete, gesunde und finanziell abgesicherte Schweizer Rentner durchaus ein Paradies sein. Die tiefen Lebenshaltungskosten, das warme Klima und die entspannte Lebensart haben ihren Reiz.

Doch der Schritt will wohlüberlegt sein. Visa-Bestimmungen, Sprachbarrieren, kulturelle Unterschiede und die Ungewissheit im Krankheitsfall sind real.
Der Rat: Verbringen Sie zunächst mehrere Monate im Jahr in Thailand. Lernen Sie Land und Leute kennen, bevor Sie die Brücken in der Schweiz vollständig abbrechen. Und behalten Sie immer einen Plan B im Hinterkopf.

Hans aus Lom Sak würde trotz aller Herausforderungen nicht mehr zurückwollen: „Es ist nicht immer einfach, aber jeden Morgen, wenn ich diese Sonne sehe, weiss ich: Es war die richtige Entscheidung.”
Ob das auch für Sie gilt? Das können nur Sie selbst herausfinden.

Weitere Infos & Links für Auswanderer

Offizielle Informationen:
• Schweizer Botschaft Bangkok: www.eda.admin.ch/bangkok
• Thai Konsulat Schweiz: www.thaiembassy.ch
• Visa-Bestimmungen: www.mfa.go.th
Expat-Communities:
• Swiss Club Bangkok: www.swissclub.org
• German-Swiss Association Phuket: Lokale Facebook-Gruppen
• Schweizer in Thailand: Online-Foren und WhatsApp-Gruppen
Praktische Hilfe:
• Krankenversicherung: Spezialisierte Broker für Expat-Versicherungen
• Rechtsberatung: Deutsch-/englischsprachige Anwaltskanzleien in Bangkok
• Steuerberatung: Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz-Thailand beachten

Empfehlung: Kontaktieren Sie die Schweizer Botschaft vor der Auswanderung für eine persönliche Beratung.

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