Der Nordosten Thailands verwandelt sich – wer wagt, wird belohnt
Jedes Jahr im Juni, wenn im trockenen Nordosten Thailands die ersten selbstgebauten Bung-Fai-Raketen zischend in den Himmel steigen, geschieht mehr als nur ein Fest. Es ist ein uraltes Ritual – halb Bitte, halb Feier, mit einem klaren Ziel: den Regen herbeirufen. Und tatsächlich: Bald verdichten sich die Wolken, die ersten Tropfen kühlen den aufgerissenen Boden, und die Region Isan beginnt zu atmen.
„Wenn der Himmel sich öffnet, öffnet sich auch das Land,“ sagt ein Dorfbewohner aus Chaiyaphum. Zwischen Juni und September verwandelt sich Isan von einer sonnenverbrannten Ebene in ein sattgrünes Wunderland: Nebelverhangene Berge, blühende Wiesen, dampfende Wälder. Für viele ist es die schönste, aber am wenigsten bekannte Seite Thailands.
Chaiyaphum: Wenn die Tulpen im Regen tanzen
Die Provinz Chaiyaphum wird während des Monsuns zu einem wahren Farbenrausch. Ab Ende Juni bedecken wild wachsende Siam-Tulpen (dok krajiew) – botanisch gesehen eine Ingwerart – in kräftigem Rosa und Violett die Hochlandwiesen des Pa Hin Ngam– und Sai Thong-Nationalparks.
Am frühen Morgen liegt Nebel über den skurrilen Sandsteinformationen von Lan Hin Ngam, während Wasserfälle wie Tat Ton durch den aufblühenden Dschungel donnern. Die Luft ist klar, kühl und trägt den Duft von nasser Erde und Wildblumen. Für Wanderer ist diese Landschaft ein Traum – am besten mit Regenjacke oder Schirm.
Ubon Ratchathani: Spiritualität im Rhythmus des Wassers
In Ubon Ratchathani wird der Monsun zum spirituellen Erlebnis. Die Felder füllen sich mit Wasser, Wälder verdichten sich, und Wasserfälle wie Huai Luang stürzen tosend in smaragdgrüne Pools. Im Pha Taem-Nationalpark hängen Nebelschwaden über steilen Klippen, in die vor über 3.000 Jahren Felszeichnungen eingeritzt wurden.

Während des buddhistischen Asalha Bucha-Fests und dem Kerzenfest ziehen kunstvoll geschnitzte Wachsfiguren durch die Straßen. „Der Regen bringt nicht nur Wasser – er bringt Einkehr,“ sagt ein Mönch, der sich wie viele in ein dreimonatiges Regenretreat begibt.
Bueng Kan: Felsenwunder und uralte Mythen
Ganz im Nordosten, an der Grenze zu Laos, liegt Bueng Kan – ein Geheimtipp selbst unter Thais. In der Regenzeit leuchten die Wälder, und mit ihnen erwachen alte Legenden. Die Naka-Höhle, deren Felsen wie der Körper einer schlafenden Naga-Schlange wirken, gilt als heiliger Ort. Im Juli öffnet die nahegelegene Nakee-Höhle wieder ihre Pforten.

Höhepunkt ist der Aufstieg zum Three-Whale Rock, wo drei riesige Felsen wie Wale aus dem grünen Meer des Dschungels auftauchen. Nach dem Abstieg wärmen Einheimische hungrige Gäste mit Tom Sab-Suppe und Klebreis aus Bananenblättern – schlicht, herzhaft, perfekt bei Regen.
Buri Ram: Wo Kraniche über Reisfelder gleiten
Bekannt für seine Khmer-Ruinen und Fußballbegeisterung, zeigt Buri Ram im Monsun eine sanftere Seite. Der Huai Chorakhe Mak-Stausee wird zum Refugium für Saruskraniche – die größten fliegenden Vögel der Welt, wieder angesiedelt durch lokale Initiativen.

Der Regen haucht auch dem Phanom Rung-Historienpark neues Leben ein. Moose kriechen über jahrhundertealte Steine, während sich in Ban Khok Muang Besucher beim Seidenweben, Pilzesammeln oder Bambusschneiden mit dem Lebensrhythmus der Region verbinden.
Khao Yai: Der Dschungel erwacht
Nur wenige Stunden von Bangkok entfernt, bietet Khao Yai Nationalpark zwischen Juni und September ein Naturerlebnis der besonderen Art. Die Wasserfälle Haew Narok und Haew Suwat donnern über Felsen, während Nebel durch die Baumwipfel zieht. Wer früh aufsteht, hat gute Chancen, Gibbons, Nashornvögel oder sogar wilde Elefanten zu sehen.

Ein Geheimtipp ist der Kong Kaeo Nature Trail – ein einfacher Rundweg durch immergrünen Regenwald, vorbei an Sumpfwiesen, Orchideen und leuchtenden Vögeln. Und wer es komfortabel mag, findet in der Umgebung Weingüter, Lodges und Radwege – Wildnis trifft Stil.
Sisaket: Einsamkeit, Steintempel und Wolkenmeere
Ganz im Osten, wo Thailand an Kambodscha grenzt, liegt Sisaket – still, grün und geschichtsträchtig. In Khao Phra Wihan Nationalpark führt ein Steg zum Pha Mo I Daeng-Felsplateau, das bei Sonnenaufgang über einem Meer aus Wolken zu schweben scheint. Nur wenige Schritte entfernt erzählen 11.-Jahrhundert-Reliefs aus Sandstein von vergessenen Königreichen.

Weiter südlich stürzt der Samrong Kiat-Wasserfall durch dichte Wälder, während Orchideenwälder und Vogelstimmen das Schutzgebiet Phanom Dong Rak erfüllen. Wer Geschichte liebt, besucht den Khmer-Tempel Prasat Hin Ban Phluang oder schlendert durch die ruhigen Höfe von Wat Sa Kamphaeng Yai.
„Der Regen macht alles still. Und in dieser Stille hört man am meisten,“ sagt eine Tempelbesucherin.