Auswandern – erfolgreich!

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Eine Leserin aus Chiang Mai schreibt über ihr neues Leben in Thailand – zwischen Großstadt, Meer, Liebe und der Suche nach guter Luft.

Mein Name ist Marianne*, ich bin 68 Jahre alt und komme aus Dresden. Wenn ich heute morgens auf meiner Terrasse in Chiang Mai sitze, mit einer Tasse Kaffee und den Bergen am Horizont, kann ich manchmal selbst kaum glauben, wie sehr sich mein Leben verändert hat. Früher war mein Alltag geordnet, fast schon vorhersehbar: Spaziergänge an der Elbe, Kaffee mit Freundinnen, Arzttermine, Enkelbesuche. Heute ist jeder Tag anders – ein bisschen chaotischer, aber auch reicher.

Vom Elbufer nach Bangkok

Meine Thailand-Geschichte begann vor etwa fünf Jahren. Ich war frisch in Rente, verwitwet und voller Fernweh. Eine Freundin hatte mir von Bangkok vorgeschwärmt, von der Wärme, den Menschen, den Farben. Also beschloss ich, es zu wagen – zunächst nur für ein paar Monate. Ich mietete mir eine kleine Wohnung im Stadtteil On Nut, nicht weit von der BTS-Station.

Bangkok war anfangs überwältigend: der Verkehr, die Hitze, die Gerüche, dieses ständige Summen der Stadt, das niemals ganz verstummt. Doch gleichzeitig spürte ich sofort diese Lebensfreude, die Freundlichkeit der Menschen. Selbst wenn man kein Thai spricht, reicht ein Lächeln, und schon ist man willkommen.

Ich erinnere mich an meinen ersten Besuch auf dem Markt: Ich wollte Mangos kaufen, zeigte auf einen Berg gelber Früchte, und die Verkäuferin drückte mir einfach eine in die Hand, schnitt sie auf und lachte. Dieses Lachen – das war der Moment, in dem ich wusste, dass ich hierbleiben möchte.

Vom Stadtlärm ans Meer

Nach einem Jahr wurde mir Bangkok zu laut, zu voll, zu heiß. Ich sehnte mich nach Ruhe, nach Meerluft. Also zog ich weiter nach Hua Hin, in eine kleine Wohnung in der Nähe des Strandes. Dort verbrachte ich einige der schönsten Monate meines Lebens. Frühmorgens spazierte ich am Wasser entlang, sah den Fischern beim Einholen ihrer Netze zu und lernte andere Auswanderer kennen – Deutsche, Schweizer, Schweden, alle mit ihren eigenen Geschichten.

Ich entdeckte eine neue Routine: Yoga am Strand, frischer Papayasalat zum Mittagessen, und abends ein kühles Chang-Bier beim Sonnenuntergang. Ich hätte mir damals nie vorstellen können, dass ich eines Tages so leben würde. Und doch war es genau das, was ich gebraucht hatte: Abstand, Freiheit, Leichtigkeit.

Chiang Mai – Zwischen Bergen und Feinstaub

Irgendwann zog es mich in den Norden, nach Chiang Mai. Ich hatte gehört, dass das Leben dort günstiger sei, die Menschen entspannter, das Klima angenehmer. Und tatsächlich: Die Stadt hat etwas Magisches. Alte Tempel zwischen modernen Cafés, Mönche in orangefarbenen Roben, Reisfelder nur wenige Kilometer entfernt. Ich fand eine kleine Wohnung am Stadtrand mit Blick auf den Doi Suthep – mein persönliches Paradies.

Doch im Winter kam die Ernüchterung. Zum ersten Mal erlebte ich, was hier „Smog-Season“ genannt wird. Von Januar bis April liegt eine dichte graue Decke über der Stadt. Die Luft riecht nach Rauch, die Sonne verschwindet hinter einem Schleier, und selbst kurze Spaziergänge lassen die Augen tränen. Ich musste mir eine Luftfilter-Maschine kaufen und verbrachte viele Tage drinnen mit geschlossenen Fenstern. Das war nicht das Thailand, das ich kannte.

Der Rückzug an den Golf von Siam

Also begann ich, zwischen den Orten zu pendeln. Wenn der Smog kam, zog ich für ein paar Monate zurück an den Golf von Siam – manchmal nach Hua Hin, manchmal nach Cha-Am. Dort ist die Luft klar, das Meer beruhigend, die Stimmung leichter. Ich scherze oft, ich sei inzwischen eine „Nomadin mit zwei Wohnsitzen“. Freunde lachen, aber für mich funktioniert dieses Leben. Ich habe gelernt, flexibel zu bleiben.

Ein bisschen fühle ich mich wie eine Zugvogel-Variante des Alters. Im Sommer Chiang Mai, im Winter ans Meer – und zwischendurch kurze Abstecher nach Bangkok, wenn ich etwas erledigen muss oder einfach Sehnsucht nach Großstadt habe.

Krankenhausgeschichten und kleine Wunder

Mit 68 Jahren bleibt es natürlich nicht aus, dass man hin und wieder einen Arzt aufsucht. In den letzten Jahren habe ich verschiedene Krankenhäuser kennengelernt – große private Kliniken mit blitzblanken Fluren, aber auch staatliche Krankenhäuser, die einfacher sind, jedoch erstaunlich gut funktionieren.

Ich erinnere mich an einen Aufenthalt im staatlichen Krankenhaus von Hua Hin. Es war voll, laut und etwas chaotisch. Aber das Pflegepersonal war unglaublich herzlich. Eine junge Krankenschwester brachte mir jeden Morgen Tee, obwohl das gar nicht vorgesehen war. Sie lächelte immer und sagte: „Mai pen rai“ – das thailändische „Macht nichts“. Dieses Lächeln, diese Wärme, sie machten alles leichter.

Natürlich ist das medizinische Niveau nicht ganz wie in Deutschland, vor allem bei der Ausstattung. Aber die Menschlichkeit ist oft größer. Ich hatte nie das Gefühl, nur eine Nummer zu sein. Und das ist für mich unbezahlbar.

Liebe in Zeiten des Lächelns

Und dann ist da noch Jean-Luc. Ein Franzose, den ich hier in Thailand kennengelernt habe – über Freunde, ganz unspektakulär. Er lebte damals in Bangkok, ich in Hua Hin, also begann alles als Fernbeziehung. Wochenlang telefonierten wir, schickten Fotos und kleine Nachrichten. Irgendwann kam er zu Besuch – und blieb fast zwei Monate.

Seitdem teilen wir unser Leben zwischen zwei Städten: manchmal Bangkok, manchmal Chiang Mai, manchmal am Meer. Wir sind beide in einem Alter, in dem man keine großen Versprechen mehr braucht. Aber wir genießen die Zeit, die wir haben. Gemeinsam durch die Märkte schlendern, neue Speisen probieren, die Sprache lernen – all das hält jung.

Ich hätte nie gedacht, dass ich mit fast siebzig noch einmal verliebt sein würde. Doch Thailand hat mir gezeigt, dass es nie zu spät ist, neu anzufangen.

Alltag zwischen Tempeln und Technik

Mein Alltag ist heute eine Mischung aus thailändischem Rhythmus und deutscher Gründlichkeit. Morgens stehe ich früh auf, gieße meine Pflanzen, höre die Mönche beten, die man bis in meine Straße hört. Danach ein Spaziergang zum Markt – Obst, Gemüse, vielleicht ein paar Blumen. Ich fahre meist mit dem Scooter, langsam und vorsichtig.

Am Nachmittag lese ich Nachrichten aus Deutschland, telefoniere mit meinen Enkeln. Manchmal fehlt mir die alte Heimat, das Grau Dresdens im November, die vertrauten Stimmen. Aber wenn abends die Grillen zirpen und die Luft warm bleibt, weiß ich, dass ich am richtigen Ort bin.

Zwischen zwei Welten

Thailand ist nicht perfekt. Es gibt Dinge, die mich stören: die Bürokratie, der Verkehr, der Müll an manchen Stränden. Und doch überwiegt das Gute. Hier habe ich gelernt, geduldiger zu sein. Ich rege mich weniger auf, akzeptiere mehr, lasse los. „Sabai sabai“, sagen die Thais – nimm’s locker. Vielleicht ist das die wichtigste Lektion, die mir dieses Land geschenkt hat.

Ich weiß nicht, wo ich in fünf Jahren leben werde – vielleicht wieder in Hua Hin, vielleicht bleibe ich in Chiang Mai, vielleicht zieht es mich noch weiter. Aber eines weiß ich sicher: Thailand hat mich verändert. Es hat mir die zweite Hälfte meines Lebens geschenkt – bunter, lebendiger, unplanbarer, als ich es je erwartet hätte.


*Name von der Redaktion geändert – Identität bekannt.

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