Wie eine Regierung ihre besten Kunden vergrault
Eine Kolumne über politisches Chaos, verängstigte Expats und die Kunst, aus einem Steuerparadies ein Steuerlabyrinth zu machen
Es war einmal ein Land namens Thailand, das jahrzehntelang Expats mit offenen Armen empfing – und noch offeneren Steuerschlupflöchern. Wer sein Auslandseinkommen erst im Folgejahr überwies, lebte praktisch steuerfrei. Ein Paradies für Rentner, digitale Nomaden und alle, die dem deutschen Fiskus den Rücken kehren wollten. Doch dann kam das Jahr 2024, und mit ihm eine Regierung, die beschloss, das Goldene Zeitalter mit der Finesse eines Bulldozers zu beenden.
Akt I: Der große Paukenschlag (Januar 2024)
Am 1. Januar 2024 erwachte die Expat-Community mit einem Kater der besonderen Art. Die Departmental Instruction No. Por. 161/2566 war in Kraft getreten – ein bürokratisches Monster, das das bewährte „Warte-ein-Jahr-System“ über Nacht beendete. Plötzlich war jedes nach Thailand überwiesene Auslandseinkommen steuerpflichtig, egal wann es erwirtschaftet wurde.
Die Reaktion der Expats? Nun, sie taten das, was Menschen tun, wenn Regierungen unberechenbar werden: Sie hörten auf, Geld ins Land zu bringen. Genial, dachte sich wohl mancher Beamte im Finanzministerium, wir haben erfolgreich unsere eigenen Einnahmen sabotiert.
„They want a piece of my outside income… that has nothing to do with Thailand… LOL“, kommentierte ein empörter Reddit-Nutzer. Man kann die Frustration förmlich spüren – und sie war mehr als berechtigt.
Akt II: Die Panik setzt ein
Binnen weniger Monate wurde klar: Die neue Steueroffensive war ein klassisches Eigentor. Die Steuereinnahmen für 2024 und 2025 brachen dramatisch ein. Statt mehr Geld in die Staatskasse zu spülen, führten die verschärften Regeln zu einem Kapitalstreik der Expats.
Eine Umfrage ergab, dass 55% der ausländischen Langzeitresidenten planten, Thailand zu verlassen. „The only people living in Thailand will be Thai if they implement a global tax“, prophezeite ein desillusionierter Expat. Und er sollte nicht ganz unrecht behalten.
Die Regierung hatte offenbar übersehen, dass Expats mobile Menschen sind – im Gegensatz zu thailändischen Staatsangestellten, die nicht einfach nach Malaysia oder in die Philippinen umziehen können, wenn ihnen die Politik nicht passt.
Akt III: Das große Zurückrudern
Nun passierte etwas typisch Thailändisches: Die „U-Turn“-Mentalität trat in Kraft. „Seems so crazy its all so unclear and they can u-turn on something so quickly!“, klagte ein Reddit-Nutzer über die Unberechenbarkeit der Politik. Und er hatte recht – denn bereits Mitte 2025 wurde ein neues Königliches Dekret vorgeschlagen, das eine 2-Jahres-Befreiungsfrist vorsehen sollte.
Die Botschaft war klar: „Ups, war wohl doch nicht so eine gute Idee. Kommt bitte zurück, wir machen das schon wieder rückgängig!“
Dass dieses Dekret erst Ende 2025 in Kraft treten und nicht rückwirkend für 2024 gelten sollte, war natürlich der Gipfel der Ironie. Wer 2024 brav seine Steuern gezahlt hatte, schaute in die Röhre – ein klassisches „Der Ehrliche ist der Dumme“-Szenario.
Die LTR-Aristokratie: Wenn Geld alle Türen öffnet
Während normale Sterbliche mit dem Steuerchaos kämpften, gab es eine Gruppe, die das ganze Theater entspannt vom VIP-Bereich aus verfolgen konnte: die LTR-Visa-Inhaber. Diese moderne Aristokratie genießt eine komplette Steuerbefreiung auf Auslandseinkommen – vorausgesetzt, man kann eine Million Dollar Vermögen, 80.000 Dollar Jahreseinkommen und eine halbe Million Investition vorweisen.
Die Botschaft der Regierung war unmissverständlich: „Wenn du reich genug bist, gelten unsere Gesetze nicht für dich. Für alle anderen: Pech gehabt!“
Das schafft eine bizarre Zwei-Klassen-Gesellschaft unter Expats. Während der pensionierte deutsche Ingenieur mit seiner 2.000-Euro-Rente vor dem Finanzamt zittert, überweist der millionenschwere „Wealthy Pensioner“ steuerfrei seine Dividenden. Soziale Gerechtigkeit sieht anders aus.
Deutsche Ordnung vs. Thai-Chaos
Der Vergleich mit deutschsprachigen Ländern ist besonders erhellend. Deutschland, Österreich und die Schweiz praktizieren das Welteinkommensprinzip – brutal ehrlich, aber vorhersagbar. Wer dort lebt, versteuert alles, Punkt. Die Steuersätze sind zwar hoch (in Deutschland bis 42%, in Österreich sogar 55%), aber wenigstens weiß man, woran man ist.
Doppelbesteuerungsabkommen sorgen für Rechtssicherheit – ein Konzept, das in Thailand offenbar noch nicht vollständig angekommen ist. Dort herrscht eher das Prinzip „Mal schauen, was uns heute einfällt“.
Der administrative Albtraum
Besonders perfide ist der bürokratische Aufwand, den die neuen Regeln mit sich bringen. „That will be an accounting nightmare to deal with inside thailand for people with complex financial affairs“, warnte ein Reddit-Nutzer völlig zu Recht.
Expats müssen jetzt penibel dokumentieren:
- Wann wurde welches Einkommen erzielt?
- Aus welchem Land stammt es?
- Welche Steuern wurden bereits gezahlt?
- Wann erfolgte die Überweisung?
Die Beweislast liegt dabei beim Steuerzahler – ein System, das geradezu nach Missbrauch schreit. „How can they prove you moved in the 10k you earned this year as a tax resident, and not the 10k you earned the previous year? They can’t“, spekulierte ein Expat. Die Antwort ist einfach: Sie können es nicht, also werden sie es vermutlich auch nicht versuchen – außer bei Stichproben oder wenn jemand besonders großes Pech hat.
Die Durchsetzungs-Illusion
Hier kommen wir zum Kern des Problems: Thailand hat ein Durchsetzungsproblem. Die Steuerbehörde kann unmöglich bei Zehntausenden von Expats jeden Cent nachverfolgen. Das wissen alle – die Beamten, die Expats und vermutlich auch die Regierung.
Was bleibt, ist ein System der selektiven Durchsetzung: Wer erwischt wird, hat Pech. Wer unter dem Radar bleibt, lebt weiter wie bisher. Das ist weder fair noch effizient – aber sehr thailändisch.
Wirtschaftliche Logik? Fehlanzeige!
Die wirtschaftlichen Motive der Regierung sind durchaus nachvollziehbar: Thailand will seine OECD-Mitgliedschaft, braucht mehr Steuereinnahmen und möchte die geschätzten 2 Billionen Baht Auslandsvermögen ins Land locken.
Nur hat man dabei übersehen, dass Expats nicht nur Geld mitbringen, sondern auch Kaufkraft, Expertise und Lebensqualität. Ein deutscher Rentner, der monatlich 50.000 Baht ausgibt, generiert weit mehr Wirtschaftsaktivität als die Steuern, die man von ihm kassieren könnte – wenn er denn bleibt.
Die Exodus-Drohungen sind real: „We will leave Thailand Dec 2024“, schrieb ein frustrierter Expat. Und viele haben ihre Drohung wahrgemacht. Das Paradoxe: Thailand verliert nicht nur Steuereinnahmen, sondern auch die Menschen, die diese Einnahmen generiert hätten.
Das große Finale: Wohin führt der Weg?
Wir schreiben September 2025, und das Königliche Dekret steht noch aus. Die Unsicherheit bleibt, das Vertrauen ist beschädigt, und viele Expats haben sich bereits anderweitig orientiert. Malaysia, die Philippinen und Vietnam reiben sich die Hände – sie profitieren von Thailands steuerlicher Selbstverstümmelung.
Die Lehre aus diesem Theater? Vorhersagbarkeit ist wichtiger als Perfektion. Lieber ein simples, aber stabiles Steuersystem als ständige Änderungen, die niemand versteht und die mehr kosten als sie einbringen.
Epilog: Ratschläge für Überlebende
Für die Expats, die trotz allem in Thailand bleiben wollen oder müssen:
- Professionelle Steuerberatung ist Pflicht – die Zeiten des „wird schon gutgehen“ sind vorbei
- Dokumentation, Dokumentation, Dokumentation – wer keine Belege hat, ist verloren
- Aufenthaltsplanung wird zum Überlebensskill – unter 180 Tage = keine Probleme
- LTR-Visum prüfen – wenn man reich genug ist, lösen sich alle Probleme
- Plan B entwickeln – andere Länder sind auch schön
Das große Thai-Steuer-Theater geht weiter, und niemand weiß, welche Wendung der nächste Akt bringen wird. Eines ist sicher: Langweilig wird es nicht. Nur ob das gut für Thailand ist, steht auf einem anderen Blatt.
In einem Land, wo „Same same but different“ zum Lebensmotto geworden ist, passt auch eine Steuerpolitik nach dem Motto „Mal so, mal so, aber immer verwirrend“ perfekt ins Bild. Leider ist Steuerpolitik kein Tourismusslogan – hier wären Berechenbarkeit und Klarheit deutlich hilfreicher als exotischer Charme.




Top Beitrag!
Bleibt zu hoffen, dass Thailand daraus lernt und gegenüber Rentnern, die hier Häuser gebaut, Fahrzeuge gekauft, Familien unterstützen und jeden Tag ihre Rente ausgeben, eine gewisse Wertschätzung entgegenbringen und auch mal etwas zurückgeben.
Zitat: „“Professionelle Steuerberatung ist Pflicht – die Zeiten des „wird schon gutgehen“ sind vorbei““
Ja das hat Wochenblitz die letzten eineinhalb Jahre auch gepredigt. Und die, die sich an die Empfehlungen hielten, oder auch nur persönlich beim Steueramt vorsprachen und brav bezahlten, sind die gelackmeierten.
Die sogenannten Steuerexperten sind auch nur auf ihr eigenes Wohl fixiert. Völlig unnötig und überrissene Honorare. Ein Besuch beim Steueramt kostet nichts, und ist mindestens so „professionell“.
Wer also früher keine Steuern zahlte und jetzt sein Geld nicht nach thailand überweist senkt dadurch in thailand die Steuereinnahmen.
Was für ein Unsinn.
Eine 0 bleibt eine 0,
Oder er würde eben zahlen, was er nicht macht.
Wer immer seine Steuererklärung seit 2024 in thailand gemacht hat, hat überhaupt nichts zu befürchten.
Übrigens gilt in Deutschland für die letzten 10 Jahre die erweiterte steuerpflicht bei Jahreseinkommen über 16.500 €.
richtig an diesem Bericht ist allein, thailand sollte wie Deutschland das welteinkommen unter Berücksichtigung des doppelbesteuerungseinkommens Veranlagung
Welche Agentur sponsert eigentlich solche Berichte?