Die digitale Liebesfalle – Zahlungsschock bei App

Die digitale Liebesfalle - Zahlungsschock bei App
KI-generierte Illustration, erstellt von Google Gemini.

💔 Die digitale Liebesfalle: Wie App-Store-Gebühren die Preise in Thailand treiben

Die Sonne sinkt über Bangkoks Skyline, als Mark (Name geändert), ein Expat Mitte 40, in seinem eleganten Condo durch Profile auf ThaiFriendly.com scrollt. Die Plattform zählt seit Jahren zu den populärsten Dating-Seiten in Thailand und bietet Mark die Bequemlichkeit, die asiatische Metropole digital zu erkunden. Bislang schätzte er vor allem, dass er sein Premium-Abo direkt über die Webseite mit Kreditkarte bezahlen konnte – ein direkter Weg, der die hohen Provisionsgebühren der großen Tech-Konzerne umging.

Doch die Benutzererfahrung ändert sich. Beim Versuch, sein monatliches Abonnement über die mobile App zu verlängern, bemerkt er eine subtile, aber entscheidende Verschiebung. Anstatt auf die gewohnte Webzahlung verwiesen zu werden, leitet ihn das System nun zwingend auf die In-App-Kauf-Option von Apple oder Google weiter. Die Möglichkeit, das Abo extern zu bezahlen, ist zwar technisch noch über den mobilen Browser gegeben, wird aber innerhalb der App unsichtbar gemacht.

Für die meisten Nutzer erscheint dies wie ein harmloses technisches Update. Doch hinter dieser Veränderung verbirgt sich ein globaler Milliardenstreit – und für die Kunden die fast sichere Aussicht auf höhere Preise. Mark fasst das Dilemma pragmatisch zusammen: „Ich zahle mehr, und die Plattform bekommt weniger. Diese Situation ist nur für Apple und Google gut.“

💰 Der globale Konflikt: Das Monopol der 15 bis 30 Prozent

Seit über einem Jahrzehnt schwelt ein Grundsatzstreit zwischen App-Entwicklern und den zwei Giganten, die den Zugang zum mobilen Markt kontrollieren: Apple und Google. Die beiden Konzerne verlangen für die Abwicklung digitaler In-App-Zahlungen eine obligatorische Provision, bekannt als die „App-Store-Tax“. Diese bewegt sich im Korridor von 15 % bis 30 % des Umsatzes.

Die unvollständige Rechnung der 30 Prozent

Der Artikel muss hier präzise sein. Die Gebühr von 30 % ist der Standard, der oft medial zitiert wird, gilt aber nicht universell. Hier sind die entscheidenden Nuancen, die die wirtschaftliche Realität prägen:

  • Standard-Provision (30 %): Sie gilt für die meisten großen, umsatzstarken Unternehmen wie Netflix, Spotify oder höchstwahrscheinlich ThaiFriendly.
  • Reduzierte Provision (15 %): Diese Rate kommt in zwei wichtigen Fällen zur Anwendung:
    • Kleine Unternehmen: Entwickler, deren Jahresumsatz im App Store unter 1 Million USD liegt, qualifizieren sich für Apples und Googles „Small Business Program“.
    • Langzeit-Abos: Bei Apple sinkt die Gebühr für Abonnements, die der Kunde länger als ein Jahr hält, automatisch auf 15 %.

Für eine Plattform wie ThaiFriendly, die auf stabile monatliche Abos angewiesen ist, reduziert jede erzwungene In-App-Zahlung die Marge signifikant, selbst wenn die Gebühr langfristig auf 15 % sinkt.

Der vergessene Kostenfaktor: Thailands Mehrwertsteuer (VAT)

Ein weiterer, oft übersehener Kostenfaktor ist die Umsatzsteuer. Seit 2021 unterliegen ausländische digitale Dienste in Thailand der Mehrwertsteuer (VAT) von 7 %.

Im Falle eines In-App-Kaufs wird diese VAT vom Tech-Konzern auf den Bruttopreis aufgeschlagen und abgeführt. Dies verringert nicht die Provision, aber erhöht den Endpreis für den Kunden – und wird von den 30 % Gebühr zuerst abgezogen, bevor der Rest an den App-Entwickler ausgezahlt wird. Die Kalkulation ist für kleine Anbieter ein regulatorischer und finanzieller Albtraum.

🚫 Die Anti-Steering-Regel: Das Versteckspiel der Zahlungen

Die größte technische Unschärfe im öffentlichen Diskurs ist die Annahme, dass Webzahlungen technisch „blockiert“ werden können. Das ist falsch. Ein Nutzer kann jederzeit den mobilen Browser öffnen und dort bezahlen. Die wirkliche Einschränkung liegt in den sogenannten „Anti-Steering-Rules“ der App-Stores.

  • Das Verbot: Die Store-Regeln untersagen Entwicklern strikt, innerhalb der nativen App einen Link, Button oder auch nur einen Text einzubauen, der auf die Möglichkeit der günstigeren Webzahlung verweist.
  • Die Konsequenz: Plattformen wie ThaiFriendly, die früher aktiv auf die Webseite verwiesen haben, mussten diese Verweise entfernen. Die Verärgerung von Mark rührt daher, dass er die günstigeren Raten nun nicht mehr in der App findet und aktiv den Browser aufsuchen muss.
  • Das Risiko: Bei Nichtbefolgung dieser Regeln droht die temporäre Sperrung oder die vollständige Entfernung aus dem App Store. Für einen Dienst, der stark auf Neuanmeldungen über mobile Kanäle angewiesen ist, bedeutet das faktisch das Aus.

🇹🇭 Thailands Sonderweg: Ohne digitales Marktschutzgesetz

Während die EU mit dem Digital Markets Act (DMA) einen globalen Präzedenzfall geschaffen hat, indem sie alternative Zahlungswege erzwingt, bewegt sich Thailand noch in einer Beobachtungsphase.

Thailand verfügt zwar über umfassende Gesetze zum digitalen Verbraucherschutz (reguliert durch die ETDA), aber es gibt keine spezifische Gesetzgebung, die Apple oder Google dazu verpflichtet, alternative Zahlungssysteme in den Apps oder das Sideloading (Installation außerhalb des Stores) zu erlauben. Damit unterscheidet sich das Land maßgeblich von Südkorea, den Niederlanden oder den Mitgliedsstaaten der EU.

Die thailändischen Regulierungsbehörden beobachten die internationalen Gerichtsverfahren (wie jene von Epic Games gegen Google) genau, doch verbindliche Reformen zur Entflechtung des mobilen Duopols stehen im Land noch aus. Diese fehlende Regulierung lässt den App-Store-Betreibern freie Hand bei der Durchsetzung ihrer Anti-Steering-Regeln.

📈 Die wirtschaftliche Konsequenz: Das erzwungene Preisszenario

Die Verlagerung der Zahlungen in den App Store hat direkte finanzielle Konsequenzen für alle Beteiligten, die über das einfache Abziehen der Provision hinausgehen:

Der Preisunterschied auf einen Blick

Kostenfaktor (Beispiel Abo 1.000 THB Netto)Direkte Webzahlung (Browser)In-App-Kauf (30 % Provision)
1. Nettoeinnahme für ThaiFriendly1.000 THB1.000 THB
2. App-Store-Provision (30 %)0 THB+ 428,57 THB (zum Erreichen der 1.000 THB Netto)
3. 7 % VAT (Mehrwertsteuer Thailand)+ 70 THB+ 100 THB (auf den Bruttopreis)
Endpreis für den Kunden (Brutto)1.070 THBca. 1.528 THB
*Die Kalkulation zeigt, dass der Kunde bei In-App-Zahlung über 40 % mehr zahlen muss, wenn der Anbieter dieselbe Nettoeinnahme erzielen will.
  • Erhöhte Markteintrittsbarrieren: Für thailändische Start-ups und kleinere Apps wird es zunehmend schwieriger, konkurrenzfähige Preise anzubieten und gegen internationale Riesen mit mehr Kapital zu bestehen, die diese Gebühren leichter absorbieren können.
  • Kulturelle Sensibilität und Kontrolle: Apps, die gezwungen sind, über die App-Store-Systeme zu laufen, unterliegen strengeren Content-Regeln und Moderationsprozessen. Bei Dating-Plattformen, wo kulturell sensible oder falsch interpretierbare Inhalte vorkommen können, führt dies zu einem erhöhten Risiko automatischer Löschungen und temporärer Sperrungen, was die Nutzererfahrung zusätzlich beeinträchtigt.

Die erzwungene Verschiebung der Zahlungen ist somit nicht nur ein Problem von „Mark“ und ThaiFriendly, sondern ein grundlegendes strukturelles Problem der digitalen Wirtschaft, das die thailändischen Verbraucher und Entwickler gleichermaßen belastet.

Anmerkung der Redaktion

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