Ein Expat kämpft gegen Thailands Festtagsfreude

Ein Expat kämpft gegen Thailands Festtagsfreude
KI-generierte Illustration, erstellt von Google Gemini.

Der Zorn des Expats und das Lächeln der Managerin

Die Geschichte beginnt mit einer Szene, die so nur in Thailand spielen kann: Ein Ausländer, nennen wir ihn den „Traditionshüter“, betritt seine Sprachschule. Es ist November. Draußen herrschen tropische Temperaturen, doch drinnen funkelt ihm bereits ein geschmückter Weihnachtsbaum entgegen. Für die meisten von uns ein Zeichen von Gemütlichkeit, für diesen Mann jedoch ein Affront. Er sucht das Gespräch mit der Managerin, vermutlich in der Erwartung, eine Entschuldigung für diesen vermeintlichen kulturellen Fauxpas zu erhalten.

Doch die Reaktion, die er bekommt, ist typisch thailändisch:

Ein freundliches Lächeln, vielleicht ein leises Lachen. Keine Rechtfertigung, kein Abbau der Dekoration. Später macht der Mann seinem Ärger in einem bekannten Online-Forum Luft. Sein Argument: In seinem Heimatland – das er selbst ironisch als „Nanny State“ (Bevormundungsstaat) bezeichnet – käme der Baum strikt erst am 1. Dezember hoch und würde am 27. Dezember wieder verschwinden. Dass die Thais diese ungeschriebenen westlichen Gesetze ignorieren, nervt ihn gewaltig. „Was stimmt nicht mit diesen Leuten?“, fragt er die Community.

Die Reaktionen im Netz ließen nicht lange auf sich warten und zeichnen ein faszinierendes Bild der kulturellen Gräben, die sich selbst beim Thema Weihnachtsdekoration auftun können. Während der Thread-Ersteller auf Zustimmung für seine Prinzipientreue hoffte, hagelte es Realitätschecks. Die Diskussion, die sich daraus entspann, ist weit mehr als nur ein Streit um Plastiktannen – sie ist ein Lehrstück über Erwartungshaltung, Kommerz und die thailändische Lebensart „Sanuk“ (Spaß).

Wenn westliche Regeln auf asiatische Realität treffen

Um den Kern dieses Konflikts zu verstehen, muss man tief in die unterschiedlichen Wahrnehmungen von Weihnachten eintauchen. Für viele Europäer ist die Adventszeit eine Phase der Besinnlichkeit, streng getaktet durch liturgische Kalender oder familiäre Traditionen. Der 1. Dezember oder der erste Advent sind oft die frühesten akzeptierten Starttermine. Alles davor gilt als geschmackloser Kommerz.

In Thailand hingegen, einem mehrheitlich buddhistischen Land, ist Weihnachten völlig frei von religiöser Schwere. Es gibt keine heilige Nacht im christlichen Sinne, kein religiöses Dogma, das den Startschuss gibt. Weihnachten ist hier ein Lehnwort für „Glitzer, Lichter und gute Laune“. Wenn eine thailändische Managerin im November einen Baum aufstellt, dann nicht, weil sie den liturgischen Kalender missversteht, sondern weil sie eine Atmosphäre schaffen will, die modern und einladend wirkt.

Die Foren-Nutzer wiesen den empörten Expat schnell darauf hin, dass selbst im Westen die Grenzen längst verschwimmen. Ob in der Downing Street in London oder in den Schaufenstern von New Yorks Macy’s – auch dort hält der Weihnachtsmann oft schon Mitte November Einzug. Der Vorwurf, Thais würden Weihnachten „nicht verstehen“, entlarvt sich so schnell als eine etwas arrogante Sichtweise, die die eigene kulturelle Prägung als universellen Maßstab anlegt.

Das Geschäft mit dem Glitzer: Die ökonomische Logik

Hinter der frühen Dekoration steckt natürlich mehr als nur die Liebe zum Lammetta. Es geht um harte Währung. Thailand ist ein Meister darin, westliche Feiertage zu adaptieren und in lukrative Events zu verwandeln. Halloween, Valentine’s Day, Weihnachten – alles wird gefeiert. Aus ökonomischer Sicht ist das absolut sinnvoll. Das letzte Quartal des Jahres ist für den Einzelhandel entscheidend.

Wer heute durch die riesigen Malls wie das IconSiam oder CentralWorld in Bangkok läuft, sieht Investitionen in Millionenhöhe. Die Weihnachtsdekorationen sind Touristenmagnete. Wenn ein Einkaufszentrum Millionen Baht in eine Lichtinstallation steckt, soll diese nicht nur drei Wochen, sondern am besten zwei Monate lang Kunden anlocken. Ein Nutzer im Forum brachte es trocken auf den Punkt: „Thais verstehen Business.

Rechnen wir das kurz um: Wenn ein Tourist oder wohlhabender Einheimischer durch die weihnachtliche Stimmung animiert wird, 5.000 Thai Baht (nach aktuellem Kurs ca. 135 Euro) für Geschenke auszugeben, hat sich der Baum im November schon gelohnt. Bei Marketingbudgets der großen Retail-Giganten, die oft die 1-Milliarde-Baht-Marke (ca. 27 Millionen Euro) knacken, ist jeder Tag, an dem die Deko steht, bares Geld wert. Die Lichterketten sind also weniger ein religiöses Symbol als vielmehr ein leuchtender Hinweis: „Bitte hier Geld ausgeben.“

Weihnachten 2025: Öko-Trends und Selfie-Wahn

Betrachtet man die Entwicklung bis zum heutigen Jahr 2025, wird klar, dass der Trend eher zu „mehr und früher“ geht als zu „weniger und später“. Allerdings hat sich die Art der Dekoration gewandelt. In diesem Jahr setzen viele thailändische Malls auf Nachhaltigkeit. Statt billigem Plastik sieht man vermehrt Kunstinstallationen aus recycelten Materialien. Der „Eco Wonderland“-Trend in Phuket ist ein perfektes Beispiel dafür, wie traditionelle Motive modern interpretiert werden.

Doch eines bleibt konstant: Der Selfie-Faktor. Für die thailändische Bevölkerung ist der Weihnachtsbaum in erster Linie eine fantastische Fotokulisse. Ganze Familien pilgern am Wochenende zu den großen Plätzen, um sich vor den riesigen, oft thematisch geschmückten Bäumen (mal mit Disney-Figuren, mal mit traditionellen thailändischen Mustern) ablichten zu lassen.

Für den kritischen Expat mag das oberflächlich wirken. Doch man könnte auch argumentieren, dass die Thais den Geist der Weihnacht – Freude teilen und zusammenkommen – auf ihre ganz eigene, sehr pragmatische Weise leben. Ohne den Stress des perfekten Braten-Dinners oder den Zwang der Familienbesuche, dafür mit viel Lächeln und bunten Lichtern. Ist das wirklich so verwerflich?

Ein Ausblick: Toleranz unter Palmen

Der Ärger über den Weihnachtsbaum im November ist letztlich ein Symptom für das klassische „Expat-Syndrom“: Der Wunsch, das Gastland möge doch bitte so funktionieren wie die Heimat, nur eben wärmer und billiger. Doch Thailand funktioniert nach seinen eigenen Regeln. Wer sich darüber aufregt, verschwendet Energie, die man bei 30 Grad im Schatten besser sparen sollte.

Die Prognose für die kommenden Jahre ist eindeutig: Die Weihnachtszeit in Thailand wird sich weiter ausdehnen. Vielleicht sehen wir 2026 die ersten Rentiere schon zu Halloween. Die Verschmelzung der Festtage zu einer großen „Season of Giving“ (und Spending) ist im vollen Gange. Das digitale Zeitalter und der Einfluss von Social Media beschleunigen dies nur noch.

Für den genervten Foren-Nutzer und alle, die ähnlich fühlen, gibt es eigentlich nur eine Lösung: Entspannung. Anstatt die Managerin zu belehren, könnte man einfach das Lächeln erwidern. Denn am Ende des Tages ist ein Weihnachtsbaum im November vielleicht „falsch“ nach dem Kalender eines nordeuropäischen Traditionalisten, aber genau „richtig“ für ein Land, das jede Gelegenheit nutzt, das Leben ein bisschen bunter zu machen.

Anmerkung der Redaktion:

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22 Kommentare zu „Ein Expat kämpft gegen Thailands Festtagsfreude

  1. Zitat: „Der Wunsch, das Gastland möge doch bitte so funktionieren wie die Heimat, nur eben wärmer und billiger.“
    Der Satz ist gut. Da gibt es hier nicht wenige von dieser Sorte.

    1. Oskar, sehr gut und diplomatisch geschrieben.
      Ich finde den Satz auch auf höchstem Niveau.

      Mein Plastikbaum in meiner Wohnung blinkt seit dem 15. November in allen Farben bis Ende Februar.

  2. Es ist in Europa doch auch nicht anders. Wahrscheinlich bekommt man nach Weihnachten im Supermarkt schon Schokoladeosterhasen und Ostereier zu kaufen.

  3. Geht nur ums Kohle machen bei den Thais.Da sind sie gnadenlos! Hintergrund Geburt Jesu haha das interessiert die nicht.Davon wissen die meisten eh nichts!

  4. Also ich genieße die Weihnachtszeit. Und wenn die Temperaturen kühl sind, kommt sogar etwas Weihnachtsstimmung auf. Ist doch schön, wenn die Thais Weihnachten auch „feiern“ . Fehlt nur noch der Schnee!

  5. Khun Traditionshüter scheint keine anderen Probleme zu haben oder eben nichts besseres im Kopf zu haben als. typisch allesbesserwissender Europäer dem Rest der Welt genau diese erklären oder besser vorschreiben zu versuchen. Möge er nach Deutschland zurück kommen, hier kann er sich in die Partei der Gleichgesinnten einreihen.

  6. der gute mann „Traditionshüter“ möge sich doch am besten zurück nach D begeben und dort seinen weihnachtsfrust loslassen. er ist hier gast wie die meisten von uns und muß sich in meinen augen hier anpassen – oder verschwinden

    in thailand wird weihnachten nicht gefeiert, nur in touristengebieten, und das nur aus kommerz. und in D gab es dieses jahr anfang september schon lebkuchen und zimtsterne zu kaufen.

    ….aber genau „richtig“ für ein Land, das jede Gelegenheit nutzt, das Leben ein bisschen bunter zu machen….

    👍👍👍👍👍

  7. Traditionshüter. Der man sollte mal in seine Heimat zurückkehren, da würde er sich wundern wie viel Weihnachtsdeko mit allem drum und dran schon vor dem 1.12. ausgestellt und verkauft wird.
    Im Lidl wurde schon Mitte November Weihnachtsgebäck+ Christstollen und alles andere verkauft. Bei uns auf dem Platz wurde der Weihnachtsbaum mitsamt dem Schmuck + Lichterketten bereits am 26.11. aufgerichtet, und es hat keine Sau interessiert.
    Wenn es diesem Mann in Thailand nicht gefällt darf er gerne wieder zurück in seine Heimat, oder irgendwo anders hingehen.
    Niemand kann mich zwingen irgendwo zu bleiben wo es mir nicht mehr gefällt.

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