Suphon sitzt in ihrem kleinen Café in Trang, einer Küstenprovinz im Süden Thailands. Draußen rauscht das Meer, drinnen herrscht gähnende Leere. Seit Wochen hofft sie auf Gäste, die das neue Regierungsprogramm versprochen hat.
Steueranreize erschüttern Thailand-Tourismus
Doch die Stühle bleiben leer. Die große Steueroffensive der thailändischen Regierung sollte alles ändern. Bis zu 30.000 Baht, können thailändische Bürger seit Ende Oktober als Steuerabzug geltend machen, wenn sie im eigenen Land Urlaub machen. Eine beispiellose Maßnahme, die den stockenden Tourismus ankurbeln soll.
Die Realität sieht anders aus. In den ersten Wochen des Programms blieb der erwartete Ansturm weitgehend aus. Die Frage ist nicht nur, warum das Programm nicht funktioniert. Sondern vor allem: Was steckt wirklich hinter dieser verzweifelten Wirtschaftspolitik?
Ein Land unter Druck
Thailand steht unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Der Inlandstourismus wuchs 2025 nur um 2,7 Prozent, während es 2024 noch 8,4 Prozent waren. Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Die Regierung musste handeln, schnell und entschlossen.
Am 21. Oktober 2025 verabschiedete das Kabinett ein umfassendes Maßnahmenpaket. Fünf konkrete Programme sollen den Inlandstourismus während der Hochsaison bis Ende 2025 stimulieren. Das Herzstück: massive Steueranreize für Privatpersonen und Unternehmen.
Die Mechanik der Steuergeschenke
Die Regelung klingt verlockend. Vom 29. Oktober bis 15. Dezember 2025 können thailändische Staatsbürger bis zu 20.000 Baht für Unterkunft, Homestays und Restaurantbesuche steuerlich absetzen. Die ersten 10.000 Baht akzeptiert das Finanzamt mit normalen Belegen, die zweiten 10.000 Baht nur mit elektronischen Steuerrechnungen.
Besonders clever: Wer in sogenannte Sekundärprovinzen reist, erhält einen noch höheren Abzug. In 55 Sekundärprovinzen und Teilen von 15 weiteren gilt ein 1,5-facher Steuerabzug. Die Regierung zielt damit gezielt auf weniger besuchte Regionen ab. Orte wie Nakhon Ratchasima, Buriram oder eben Trang sollen profitieren.
Wenn Unternehmen mitziehen sollen
Auch die Wirtschaft wird eingespannt. Unternehmen können Ausgaben für Seminare und Schulungen doppelt absetzen, inklusive Hotel-, Seminar- und Transportkosten. In Sekundärprovinzen gibt es sogar einen 1,5-fachen Abzug. Die Rechnung ist einfach: Wenn Firmen ihre Veranstaltungen aus Bangkok heraus in die Provinzen verlegen, fließt Geld in strukturschwache Regionen.
Staatliche Behörden müssen vorangehen. Mindestens 60 Prozent der Budgets für Schulungen sollen zwischen Oktober 2025 und Januar 2026 ausgegeben werden, statt der üblichen 10 bis 20 Prozent. Eine drastische Erhöhung, die Druck auf Beamte und gleichzeitig Liquidität in den Markt bringt.
Hotels im Renovierungsfieber
Die Hotellerie erhält eigene Anreize. Renovierungs- und Erweiterungskosten können vom 29. Oktober 2025 bis 31. März 2026 doppelt steuerlich abgesetzt werden. Nicht enthalten sind einfache Reparaturen. Die Regierung will Modernisierung, nicht Instandhaltung.
Die Government Savings Bank bereitet parallel Kredite vor. Hotels sollen nicht nur durch Steuervorteile, sondern auch durch günstige Finanzierung unterstützt werden. Das Ziel ist klar: Die Infrastruktur muss mit steigenden Touristenzahlen Schritt halten können.
Das Nachtleben bekommt Aufschub
Eine überraschende Komponente betrifft Unterhaltungsbetriebe. Die reduzierte Verbrauchssteuer von 5 Prozent für Clubs, Bars und Pubs wird um ein Jahr bis Dezember 2026 verlängert. Normalerweise liegt der Satz bei 10 Prozent. Die Pandemie hatte die Branche schwer getroffen, die Erholung läuft schleppend.
Diese Maßnahme zeigt, wie verzweifelt die Regierung ist. Jeder Sektor wird mobilisiert, jede Stellschraube gedreht. Der wirtschaftliche Druck ist enorm.
Die vergessenen Provinzen
Thailand kämpft mit einem strukturellen Problem. Die Regierungsstrategie zielt darauf ab, Tourismus über Bangkok hinaus zu fördern und die wirtschaftliche Abhängigkeit von traditionellen Industrien wie Landwirtschaft und Fischerei zu reduzieren. Jahrzehntelang konzentrierte sich Tourismus auf Bangkok, Phuket, Pattaya und Chiang Mai.
Die Folge: Überfüllte Strände in Phuket, Staus in Bangkok, während Provinzen wie Trang oder Phetchabun kaum Besucher sehen. Die Ungleichheit zwischen den Regionen wächst. Junge Menschen ziehen in die Metropolen, die Provinzen verarmen.
Große Zahlen, große Versprechen
Die Regierung rechnet mit beeindruckenden Effekten. Insgesamt sollen die Maßnahmen etwa 13 Milliarden Baht an Tourismusausgaben stimulieren, mit kombinierten Regierungsprogrammen sogar 110 Milliarden Baht. Das würde 0,45 Prozent zum BIP des vierten Quartals beitragen.
Finanzstaatssekretär Lavaron Sangsnit betonte in offiziellen Statements, die Programme würden thailändische Bürger zu mehr Inlandsreisen anregen, Ausgaben in Sekundärstädten erhöhen und private Investitionen fördern. Die Erwartung: Etwa 140.000 Menschen nehmen teil.
Warum niemand kommt
Zurück nach Trang. Suphon hat inzwischen aufgehört zu warten. Die Zahlen geben ihr recht. Trang-Geschäfte sehen keinen Anstieg lokaler Besucher, die das Steuerprogramm nutzen. Die Gründe sind vielfältig und ernüchternd.
Das Programm läuft zu kurz. Sieben Wochen zwischen Ende Oktober und Mitte Dezember reichen kaum für Urlaubsplanung. Thailands schwache Wirtschaft und hohe Haushaltsschulden führen dazu, dass Bürger Ausgaben für nicht essenzielle Dinge wie Reisen reduzieren. Wer finanziell unter Druck steht, plant keinen Urlaub, auch nicht mit Steuerabzug.
Das Steuerproblem
Ein fundamentales Problem liegt im System selbst. Manche Reisende interessieren sich nicht für den Abzug, weil ihr Jahreseinkommen unter den Steuersätzen liegt und sie keine Steuern zahlen. Nur etwa 20 Prozent der thailändischen Bevölkerung geben überhaupt Einkommensteuererklärungen ab.
Die Steueranreize erreichen damit hauptsächlich die gehobene Mittelschicht und Wohlhabende. Ausgerechnet die Gruppe, die sich Urlaub auch ohne Subventionen leisten kann. Die breite Masse, die als Zielgruppe gedacht war, profitiert kaum.
Internationale Perspektive fehlt
Während die Regierung Inlandstourismus fördert, entwickelt sich der internationale Tourismus schwach. Für 2025 werden nur 33,4 Millionen ausländische Besucher erwartet, nach 35,5 Millionen 2024. Ein Rückgang, der die Wirtschaft zusätzlich belastet.
Gleichzeitig plante Thailand ab 2025 eine Touristensteuer von 300 Baht für Flugreisende und 150 Baht für Land- und Seereisende. Die Einnahmen sollen Infrastruktur und Besucherversicherung finanzieren. Doch die Angst ist groß, dass höhere Kosten noch mehr Touristen abschrecken. Bisher wurde diese Gebühr immer wieder verschoben.
Strukturelle Hürden
Die elektronischen Steuerrechnungen stellen eine weitere Barriere dar. Viele kleine Hotels, Restaurants und Homestays sind nicht darauf vorbereitet. Die Bürokratie ist komplex, die technische Ausstattung fehlt oft. Gerade in den Provinzen, die profitieren sollen, hapert es an der Umsetzung.
Chotirot Rodmuang, Marketingmanager von Jaravee Tour in Trang, berichtet von Anfragen zu Buchungen. Doch daraus werden selten tatsächliche Reservierungen. Die Unsicherheit ist zu groß, das Vertrauen in die Programme zu gering.
Politische Dimension
Hinter den Steueranreizen steht auch politisches Kalkül. Die Regierung von Premierminister Anutin Charnvirakul steht unter Druck. Die Wirtschaft lahmt, Ungleichheit wächst, Unzufriedenheit nimmt zu. Die Tourismusprogramme sind ein Versuch, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.
Doch die Maßnahmen wirken hastig zusammengestellt. Sieben Wochen Laufzeit, komplexe Regelungen, mangelnde Kommunikation. Das Gefühl entsteht: Die Regierung muss etwas tun, egal ob es funktioniert.
Was nach 2026 kommt
Die Programme laufen alle bis spätestens März 2026. Was danach passiert, ist völlig unklar. Die Maßnahmen werden als vorübergehende Investitionsförderung bezeichnet. Eine dauerhafte Lösung für strukturelle Probleme sind sie nicht.
Thailand braucht mehr als temporäre Steuergeschenke. Die Infrastruktur in den Provinzen muss verbessert werden. Straßen, Flughäfen, digitale Anbindung. Lokale Unternehmen brauchen Unterstützung beim Aufbau professioneller Angebote. Nachhaltiger Tourismus erfordert langfristige Strategien, nicht kurzfristige Strohfeuer.
Internationale Vergleiche
Andere südostasiatische Länder verfolgen ähnliche Strategien. Malaysia, Vietnam und Indonesien locken mit eigenen Programmen. Der Wettbewerb um Touristen wird härter. Thailand kann sich nicht auf seinen Ruf als Tourismusparadies ausruhen.
Die Pandemie hat gezeigt, wie verwundbar die thailändische Wirtschaft ist. 2020 und 2021 brach der Tourismus komplett ein. Das Land verlor geschätzt 50 Milliarden Dollar an Tourismuseinnahmen. Diese Lektion sitzt tief.
Technologie als Hoffnung
Die elektronischen Steuerrechnungen sind nicht nur Hürde, sondern auch Chance. Thailand treibt die Digitalisierung voran. Langfristig könnte ein lückenloses digitales System Steuerhinterziehung erschweren und Einnahmen erhöhen.
Doch die Transformation braucht Zeit. Gerade in ländlichen Gebieten fehlt oft schon stabiles Internet. Die Diskrepanz zwischen digitaler Ambition und analoger Realität ist groß.
Umweltaspekte ignoriert
Auffällig ist, dass Nachhaltigkeit kaum eine Rolle spielt. Die Programme setzen auf Masse statt Klasse. Mehr Touristen bedeuten mehr Belastung für Umwelt und Infrastruktur. Gerade die sensiblen Küstenregionen leiden bereits unter Overtourism.
Die Regierungsstrategie betont zwar die Förderung von Ökotourismus und den Schutz lokaler Kulturerbe. In der Praxis bleiben diese Aspekte aber blass. Finanzielle Anreize dominieren, ökologische Überlegungen treten zurück.
Die Hotelbranche zögert
Auch die Renovierungsanreize zeigen bisher wenig Wirkung. Hotels sind vorsichtig mit Investitionen. Die wirtschaftliche Unsicherheit ist zu groß. Niemand will in Modernisierung investieren, wenn unklar ist, ob überhaupt Gäste kommen.
Die Government Savings Bank hat zwar Kredite angekündigt, aber Details fehlen. Zinssätze, Laufzeiten, Konditionen – alles noch offen. Für Hoteliers zu vage, um darauf zu bauen.
Soziale Spannungen
Die Fokussierung auf Steuerabzüge verschärft soziale Ungleichheit. Wer keine Steuern zahlt, profitiert nicht. Das sind gerade die ärmeren Schichten, die Unterstützung am dringendsten bräuchten. Das Programm wirkt wie eine Subvention für die Mittelschicht auf Kosten der Allgemeinheit.
Kritiker werfen der Regierung vor, an den Bedürfnissen der Menschen vorbeizuplanen. Anstatt breite Kaufkraftprogramme aufzulegen, konzentriert man sich auf ein schmales Segment.
Bangkok bleibt dominant
Trotz aller Bemühungen bleibt Bangkok das Zentrum. Die Hauptstadt zieht Touristen magnetisch an. Die Provinzen kämpfen nicht nur mit fehlender Infrastruktur, sondern auch mit fehlender Bekanntheit. Internationale Touristen kennen Trang oder Buriram kaum.
Hier müsste Marketing ansetzen. Doch die Programme konzentrieren sich auf finanzielle Anreize, nicht auf Image und Bekanntheit. Eine verpasste Chance.
Die Zeitfrage
Sieben Wochen sind lächerlich kurz für strukturelle Veränderungen. Selbst wenn das Programm perfekt funktionieren würde – nachhaltigen Wandel kann man so nicht erreichen. Die Regierung scheint eher an schnellen Erfolgen vor dem Jahreswechsel interessiert zu sein.
Die Frage ist, ob nach dem 15. Dezember überhaupt jemand noch über diese Programme spricht. Oder ob sie in Vergessenheit geraten wie so viele gut gemeinte Initiativen zuvor.
Fazien und Ausblick
Thailands Steueroffensive ist ein ambitioniertes Experiment mit ungewissem Ausgang. Die Zahlen klingen beeindruckend, die Realität ist ernüchternd. In Trang und anderen Provinzen warten die Menschen vergeblich auf den versprochenen Aufschwung.
Das grundlegende Problem ist nicht fehlendes Geld oder mangelnde Anreize. Es ist struktureller Natur. Jahrzehnte der Vernachlässigung peripherer Regionen lassen sich nicht in sieben Wochen korrigieren. Thailand braucht einen langfristigen Plan, echte Infrastrukturinvestitionen und eine Vision für ausgeglichene regionale Entwicklung.
Die Steueranreize sind ein Pflaster auf eine tiefe Wunde. Sie lindern vielleicht kurzfristig Symptome, heilen aber nicht die Ursache. Suphon in ihrem Café in Trang wird weiter warten müssen. Auf Gäste, die vielleicht eines Tages kommen. Aber nicht wegen Steuergeschenken, sondern weil ihre Region endlich die Aufmerksamkeit bekommt, die sie verdient.
Anmerkung der Redaktion:
Dieser Artikel basiert auf offiziellen Regierungsverlautbarungen, Berichten thailändischer und internationaler Medien sowie Wirtschaftsdaten vom Oktober und November 2025. Die beschriebenen Programme sind zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktiv, die langfristigen Auswirkungen bleiben abzuwarten. Die Redaktion hat sorgfältig darauf geachtet, ausschließlich verifizierte Informationen zu verwenden und diese im Kontext der thailändischen Gesetzgebung und internationaler journalistischer Standards darzustellen.




Müssen das Rad nicht neu erfinden. Jeden Tag neue negative Berichte. Sollen einfach mal sich umschauen, wie machen es andere Länder z.B. Vietnam. Da muss ich nicht studiert haben!!! 555