Eine Kolumne von Sebastian Kronberg
Es gibt Dinge, die man immer wieder hört, wenn es um Patriotismus geht. Zum Beispiel diesen Satz: „Das ist doch ganz natürlich – Tiere verteidigen schließlich auch ihr Revier.“ Und genau hier beginnt das Problem. Denn der Vergleich hinkt nicht nur, er fällt ohne Krücke um.
Natürlich verteidigen Tiere ihr Revier. Ein Tiger pinkelt an einen Baum, ein Hund knurrt einen Eindringling an – das hat aber exakt null mit Patriotismus zu tun. Es geht um Ressourcen, nicht um Flaggen. Um Überleben, nicht um Hymnen. Kein Nashorn ruft zur nationalen Einheit auf, weil es die schönere Steppe bewohnt. Kein Schimpanse führt Krieg gegen benachbarte Clans, weil er sich für kulturell überlegen hält.
Patriotismus ist kein natürlicher Instinkt – er ist eine erlernte, kulturell tief verankerte Idee. Und wie so viele Ideen kann er missbraucht werden. Schlimmer noch: Er wird es regelmäßig. Übersteigerter Patriotismus ist wie ein Feuerwerkskörper mit kurzer Zündschnur – sieht von außen vielleicht hübsch aus, aber man sollte besser zurücktreten.
Gerade in Thailand erleben wir eine Form von Patriotismus, die schnell zur Gefahr für Ausländer werden kann – und das nicht nur symbolisch. Wer den König nicht verehrt, wer das Land kritisiert, wer nicht in ehrfürchtiger Dankbarkeit den Sand küsst, auf dem er läuft – gilt schnell als verdächtig. Oder schlimmer: als feindlich gesinnt. Dabei geht es nicht darum, ob jemand respektvoll ist – sondern darum, ob er sich unterordnet.
In Wahrheit ist Patriotismus oft nichts weiter als ein gut getarnter Nationalismus mit freundlichem Gesicht. Er klingt erstmal harmlos: „Wir lieben unser Land.“ Wer wollte da widersprechen? Doch schon im nächsten Satz folgt: „Und wer das nicht tut, soll gehen.“ Oder schweigen. Oder sich anpassen.
Dabei ist Kritik kein Verrat. Und Zugehörigkeit lässt sich nicht erzwingen. Echte Verbundenheit entsteht durch Freiheit, nicht durch Zwang. Nur autoritäre Systeme brauchen zwingenden Patriotismus – Demokratien kommen auch mit mündigen Bürgern klar.
Wir sollten also endlich aufhören, Patriotismus als Naturphänomen zu verklären. Er ist kein Regenwald, der einfach so wächst. Er ist ein gedankliches Konstrukt – und eines mit Sprengstoffpotenzial. Vor allem dann, wenn er mit der stillen Drohung daherkommt: „Wer nicht für uns ist, ist gegen uns.“