Leserbrief: Leben im Paradies – aber nicht ohne Schatten

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Von Hans-Jürgen M., 68 Jahre, wohnhaft in Chiang Mai

Sehr geehrte Damen und Herren vom Wochenblitz,

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als ich vor gut zwölf Jahren meinen letzten Arbeitsvertrag in Deutschland unterschrieben und ein paar Monate später die Winterstiefel gegen Sandalen getauscht habe, hätte ich nicht gedacht, dass ich einmal einen Leserbrief über mein Leben in Thailand verfassen würde. Aber das Leben schreibt bekanntlich die besten Geschichten und manche davon wollen erzählt werden.

Ich lebe heute mit meiner Frau, einer liebenswürdigen Thailänderin aus Nakhon Phanom, in einem kleinen Haus am Rande von Chiang Mai. Die Gegend ist ruhig, die Nachbarn freundlich, der nächste 7-Eleven keine fünf Minuten entfernt, was will man mehr? Und doch, wie so oft im Leben, liegt die Wahrheit irgendwo zwischen Urlaubsbroschüre und Realität.

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Thailand ist, daran zweifelt wohl niemand, ein wunderbares Land. Warm, freundlich, bunt. Aber wehe, man hat es mit der hiesigen Bürokratie zu tun. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Besuch bei der Immigration. Ich kam mit einem Lächeln, ging mit drei Kopien meines Passes, zwei Formularen und der Erkenntnis, dass man hier sehr viel Geduld braucht und einen guten Kugelschreiber.

Die Anforderungen fürs Jahresvisum ändern sich gefühlt jedes Jahr. Mal will man Kontoauszüge mit 800.000 Baht, mal reicht ein Rentennachweis, dann plötzlich wieder nicht. Und wehe, man ist zu spät beim „90-Tage-Reporting“, dann wird’s teuer. Ich habe gelernt, dass man in Thailand nicht alles verstehen muss, man muss nur wissen, wen man fragen kann.

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Meine Frau sagt oft: „Farang denken zu viel.“ Ich muss dann lachen, denn sie hat nicht ganz Unrecht. Während ich mir Gedanken über Altersvorsorge, Gesundheitsversorgung und Grundbuchrechte mache, lebt sie nach dem Motto: Was heute nicht klappt, klappt vielleicht morgen.

Unsere Ehe ist eine Mischung aus kultureller Akrobatik und liebevollem Pragmatismus. Sie kocht morgens schon Klebereis mit fermentiertem Fisch, ich vermisse dagegen ab und zu ein ordentliches Wurstbrot. Aber wir haben uns arrangiert. Wichtig ist der Respekt und der Humor. Ohne beides geht hier gar nichts.

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Nicht alles glänzt im „Land des Lächelns“. Die Preise steigen. Mieten, Lebensmittel, selbst einfache Arztbesuche sind nicht mehr so günstig wie noch vor ein paar Jahren. Viele Expats, die einst mit einer kleinen Rente gut auskamen, kämpfen mittlerweile mit jedem Baht.

Und dann beobachte ich mit Sorge, wie sich manche unserer Landsleute benehmen. Da wird im Biergarten gepöbelt, junge Thai-Frauen wie Besitz behandelt oder sich über die „dumme Thai-Bürokratie“ aufgeregt, ohne auch nur ein Wort Thai zu sprechen. Ich schäme mich dann manchmal fremd. Wir sind Gäste hier, das sollte man nie vergessen.

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Ich werde älter. Knie zwickt, Blutdruck steigt, der Blick geht öfter in die Apotheke als aufs nächste Abenteuer. Die thailändische Gesundheitsversorgung ist grundsätzlich gut, wer zahlt bekommt auch Hilfe. Aber wehe, man landet in einem Provinzkrankenhaus ohne Dolmetscher. Dann wird’s schnell kompliziert.

Ich habe mir eine private Zusatzversicherung geleistet, mehr aus Vorsicht. Andere haben nicht das Glück. Gerade Alleinstehende, oft ohne Sprachkenntnisse, landen nicht selten in prekären Situationen. Was fehlt, ist eine Art „soziales Netz“ für Expats. Es gibt ein paar engagierte Selbsthilfegruppen, aber das reicht nicht. Hier wünsche ich mir mehr Organisation, vielleicht auch ein wenig mehr Solidarität unter uns Ausländern.

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Ich bereue meinen Schritt nicht. Thailand hat mir eine zweite Lebenshälfte geschenkt, die ich in Deutschland so nie erlebt hätte. Es ist nicht immer einfach, aber wann ist das Leben das schon? Man muss mit der thailändischen Mentalität schwimmen, nicht gegen sie. Wer das kann, der findet hier Frieden, Sonne und oft auch ein bisschen mehr Menschlichkeit als erwartet.

Aber man sollte sich nicht blenden lassen. Wer hier leben will, braucht Rücklagen, Anpassungsfähigkeit und einen guten Mückenschutz.

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Zum Schluss ein kleiner Rat an alle, die überlegen, sich hier niederzulassen: Kommen Sie nicht, weil es „billiger“ ist. Kommen Sie, weil Sie bereit sind, sich auf etwas Neues einzulassen. Denn Thailand gibt viel, aber es verlangt auch einiges.

Mit freundlichen Grüßen aus dem Norden,
Ihr
Hans-Jürgen M.

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